Schüler*innen bestimmen die Agenda
Ein Team aus Schüler*innen der drei Oberstufenprofile Wirtschaft/Politik bereitete die Veranstaltung intensiv vor: Geschult durch ein Online-Seminar des Landesbeauftragten für politische Bildung Schleswig -Holstein sowie einen Workshop mit dem bekannten R.SH-Chefkorrespondenten und ehemaligen FPSler Carsten Kock, der wertvolle Anregungen aus seiner langjährigen journalistischen Erfahrung teilte, entwickelten sie Format und Fragestellungen. Drei der Schüler übernahmen die Moderation, während weitere Schüler*innen mit kurzen Statements in die verschiedenen Themenbereiche einführten. Die Diskussion drehte sich um drei zentrale Themen: Internationale Politik & Frieden, Wirtschaft und Migration. Ergänzt wurde die Podiumsdiskussion durch interaktive Elemente wie ein Gedankenexperiment mit einem imaginären Geldkoffer von 10 Milliarden Euro: Die Kandidierenden mussten spontan benennen, welche drei Projekte sie mit dieser Summe umsetzen würden. Auch ein „Anruf“ von Donald Trump, bei dem jede*r Politiker*in mit einem Satz antworten durfte, lockerte die Debatte auf.
Politik kontrovers und faktenbasiert
Während der Diskussion hatten drei Schüler parallel die Aufgabe, Aussagen der Kandidierenden zu überprüfen und bei Unstimmigkeiten eine Korrektur an die Moderation weiterzugeben. Tatsächlich musste eine Aussage durch einen Verweis auf das Wahlprogramm eines Kandidierenden richtiggestellt werden – ein wichtiger Beitrag zur sachlichen und faktenbasierten Debatte.
Klare Positionen und engagierte Diskussionen:
- Zur internationalen Politik mit Blick auf den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine betonte Leif Bodin (CDU): „Wir sind nicht neutral, wir stehen an der Seite der Ukraine.“ und ergänzt hinsichtlich der Wiederwahl Trumps in den USA: „Wir müssen den USA entschlossen als Europa entgegentreten“. Helen Christiansen (SSW) stimmte zu: „Deutschland hat ein gutes Gewicht im europäischen Vergleich, das müssen wir nutzen“. Auch die FDP unterstrich die Bedeutung Europas: „Wir müssen auf Europa setzen und Europa stärken“ und Truels Reichardt (SPD) fasste zusammen: „Wir müssen verstehen, dass es Deutschland nur gut gehen kann, wenn es Europa gut geht.“. Lukas Unger, Spitzenkandidat der Grünen Jugend, widersprach dem Eingangsstatement des AfD-Kandidaten und stellte klar: „Europe united und nicht Germany first“.
- In der Wirtschaftsdebatte machte SPD-Kandidat Truels Reichardt deutlich, wie viel getan werden muss: „Wir müssen richtig was tun, damit es in diesem Land wieder nach vorne geht – es ist wichtig, Investitionen zu fördern und nicht Unternehmenssteuern zu senken. Wir müssen die Infrastruktur stärken, die Schuldenbremse reformieren und Energiepreise durch erneuerbare Energien senken“. Die Grünen unterstützten die Idee einer Investitionsprämie, während Max Mordhorst (FDP) von einem "Wirtschaftswunder" sprach und auf eine verstärkte Fachkräfteeinwanderung sowie den Abbau von Bürokratie setzte. Der FDP-Kandidat, der bereits zum zweiten Mal für einen Sitz im Bundestag kandidiert, machte dazu eine provokante Aussage: „Berichte liest ohnehin niemand, also lasst uns die Berichtspflichten komplett abschaffen und nach einem Jahr schauen, was wirklich fehlt und das wieder einführen“.
- Beim Thema Migration war die Debatte besonders intensiv. Die Frage „Migration – Chance oder Risiko?“ beantworteten alle anwesenden Politiker*innen einstimmig mit „Chance!“. Für große Verwunderung im Saal und auf der Bühne sorgte der AfD-Politiker Kurt Kleinschmidt mit dieser Aussage, denn auch er antwortet kurz und knapp: „Migration sehe ich klar als Chance“ und widersprach damit den Forderungen seines Parteiprogramms, in dem eine sehr restriktive Linie verfolgt wird. Leif Bodin (CDU) schränkte seine Zustimmung ein und forderte stärkere Grenzkontrollen. Dies führte zu kritischen Nachfragen von Helen Christiansen (SSW), die wissen wollte, wie sich das in der deutsch-dänischen Grenzregion umsetzen ließe. Leif Bodin stellte klar, dass er nicht von Grenzschließungen, sondern von Grenzkontrollen spreche, blieb jedoch eine detaillierte Antwort auf die praktischen Auswirkungen und damit Helen Christiansen Frage schuldig.
Ein grünes Kartenmeer als Fazit
Am Ende stand die Frage: „Wem hat diese Veranstaltung für die Wahlentscheidung etwas gebracht?“ – Die Antwort war eindrucksvoll: Ein Saal voller erhobener grüner Karten zeigte, dass der Austausch nicht nur informativ, sondern auch hilfreich für die politische Meinungsbildung der jungen Menschen war.
Nach zwei Stunden lebendiger Diskussion hatten die Schüler*innen die Möglichkeit, in persönlichen Gesprächen mit den Kandidierenden offene Fragen zu vertiefen. Schnell bildeten sich Gruppen um die Politiker*innen, in denen angeregt weiterdiskutiert wurde.
Die Veranstaltung hat gezeigt, wie wichtig es ist, junge Menschen aktiv in politische Diskussionen einzubinden und ihnen eine direkte Stimme im Dialog mit Politiker*innen zu geben. Der rege Austausch, die kritischen Nachfragen und die engagierten Diskussionen haben deutlich gemacht: Politik ist für junge Menschen relevant – und sie wollen mitreden.
Organisiert wurde die Veranstaltung von der Nordsee Akademie und der Friedrich-Paulsen-Schule in Kooperation mit dem Landesbeauftragten für politische Bildung Schleswig-Holstein und dem Verband Politischer Jugend Schleswig-Holstein.
Und dies war nicht das einzige Bildungsangebot zur Bundestagswahl
Eine Woche zuvor machte der Wahl-O-Mat zum Aufkleben in Niebüll Halt. Schüler:innen aus acht Klassen setzten mit roten und grünen Klebepunkten fleißig Statements zu 38 Thesen aus unterschiedlichen Politikfeldern. Das Ergebnis? Ein persönlicher "Kassenbon", der zeigt, welche Parteien am meisten mit den eigenen Positionen übereinstimmen.